Logo FS GU RGB S 171 fin

Bürgerbeteiligung Schwimmbadsanierung - Rückmeldung der Stadt Groß-Umstadt

Liebe Mitglieder,

das seit einer knappen Woche auf der Homepage der Stadt Groß-Umstadt vorzufindende Video zu den Rückmeldungen der Bürger und der Vereine zum ersten Planentwurf hat den Vorstand des Fördervereins stark enttäuscht.

Hier der Link zum Video: https://gross-umstadt.de/sites/default/files/video/freibad_gross-umstadt_rueckmeldung-entwurfsplan_2021-05-05.mp4

Dies aus folgenden Gründen:

  1. Im Vorwort des Videos sagt der Herr Ruppert, er wolle auf die Anmerkungen in den eingegangenen Stellungnahmen (nach Herr Ruppert 40-45 Briefe, per E-Mail und einige durch direkte Ansprache verschiedener Mandatsträger) jetzt Antworten geben, „damit jeder weiß, was gefragt wurde“.
    Dieser Ankündigung wird Herr Ruppert im Folgenden nicht – jedenfalls nicht vollständig - gerecht:
    Er nennt nicht alle Einwendungen, die gegen das geplante Multifunktionsbecken erhoben wurden, sondern beschränkt sich auf einige herausgegriffene Punkte, wie gleich im Einzelnen noch darzustellen ist.
    Transparenz wird hierdurch nicht hergestellt: Es gibt keine Zusammenstellung der eingegangenen Stellungnahmen, auch keine vollständige Zusammenstellung der Argumente durch die Stadt. Wir wissen außer den Punkten, die wir im Vorstand besprochen und schriftlich eingereicht haben oder die uns von einzelnen Mitgliedern mitgeteilt wurden, nicht, was insgesamt eingewandt oder auch an Zustimmung vorgebracht wurde.

    Wir repräsentieren viele Nutzergruppen. Die Sicherheit ist bei der Planung unser primäres Ziel.

  2. Die entscheidende Frage ist die der Beckenlandschaft: ein Multifunktionsbecken oder eine Zwei-Becken-Lösung?
    1. Auf den ganz entscheidenden Aspekt der Sicherheit geht Herr Ruppert nur insofern ein, als er sagt, dass die Deutsche Gesellschaft für das Bäderwesen das Multifunktionsbecken vorschlägt und dass inzwischen gut 50 % der Schwimm-bäder in Deutschland ein solches Becken haben. Das zeige, dass es auch für Groß-Umstadt gut so sei.
      Warum?
      Allein die Anzahl der vorhandenen Multifunktionsbecken ist kein Argument, zumal nicht bekannt ist, wie lange diese schon betrieben werden. Dazu, wie die Unfallhäufigkeit in solchen Becken im Vergleich zu reinen Nichtschwimmerbecken ist, ist nichts bekannt.
      Wir halten die Absperrung mit Leinen nach wie vor für eine unsichere Sache.

      Das Argument, dass Eltern ja auch ans Meer oder an den Badesee mit ihren Kindern gehen, ist nicht stichhaltig, weil auch hier nicht bekannt ist, wie viele Unfälle dort im Vergleich zu reinen Nichtschwimmerbecken geschehen sind.
      Die Unfallzahlen sind bei Nichtschwimmern und Schwimmern im Badejahr 2020 gestiegen, wie in mehrfachen Zeitungsberichten zu lesen war. In freien Gewässern waren etliche Unfälle mit tödlichem Ausgang zu beklagen.

      Die Frage der langen Rettungswege bei einem Multifunktionsbecken, gerade auch für die Bademeister, spricht Herr Ruppert nicht an.

      Auch die sicherheitsrelevante Tatsache, dass diejenigen, die die Breitwellenrutsche benutzen, nach dem Entwurf mitten im Schwimmbetrieb landen, weil es keinen eigenen Auslaufbereich für diese Rutsche gibt, nennt Herr Ruppert nicht.
    2. Die Frage der Wassertemperatur wird gar nicht angesprochen: es ist bei der Zwei-Becken-Lösung möglich, die Wassertemperaturen in den Becken unterschiedlich zu gestalten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Benutzer zu entsprechen. Das geht im Multifunktionsbecken nicht. Hier kommt auch die Ökologie zu kurz, da die Beckentemperatur immer konstant hoch gehalten werden muss. (höherer Energieverbrauch)

    3. Auch die wichtige Frage des Schwimmenlernens lässt Herr Ruppert unter den Tisch fallen: im Multifunktionsbecken gibt es nur eine Bahn, neben der ein Schwimmlehrer herlaufen kann, um seine Schützlinge zu beaufsichtigen, ihnen Sicherheit zu geben, sie zu korrigieren und zu motivieren. Diese liegt zudem auch noch im ohnehin schon reduzierten Bereich der Schwimmer, nämlich auf der äußersten 50 m-Bahn.

    4. Auch die zu erwartenden Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzergruppen, die in einem Multifunktionsbecken enger als im Zwei-Becken-Betrieb miteinander verknüpft werden, sind in dem Video kein Thema.

    5. Die Frage nach nachvollziehbaren Angaben zu Bau- und Betriebskosten der beiden Varianten wird mit einer ganz pauschalen Bemerkung abgetan: nach „Rücksprache mit der Projektleitung“ sollen beim Bau trotz gesparter Abrisskosten und trotz der Möglichkeit, die bei Bremer und Bremer vorliegende Planung für Babenhausen teilweise auch für unser Schwimmbad zu nutzen, Mehrkosten in Höhe von 800.000,- € bis eine Million € durch die Zwei-Becken-Lösung anfallen. Das ist so in keiner Weise nachvollzieh- und überprüfbar. Es hätten hier Zahlen genannt werden müssen, da in den Stellungnahmen nach detaillierter Aufstellung gefragt wurde. Die angesprochene teurere Gründung für eine 2 Becken-Lösung ist irrelevant, da die Wasserfläche insgesamt in etwa gleichbleibt. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob ein Nichtschwimmerbecken mit einer Wassertiefe von 0,30 bis 1,35 m eine so massive Gründung erfordert. Unklar bleibt auch, warum die Betriebskosten unterschiedlich sein sollen: die Wassermenge wird in beiden Gestaltungsarten etwa gleich groß sein und damit etwa die gleiche Menge an Schwimmbad-Chemikalien benötigen. Ob die von den Pumpen abgehenden Rohre nun in ein Becken gehen oder eine Verzweigung sie in zwei Becken leitet, wird keinen großen Kostenunterschied machen.

    6. Die Frage der Materialwahl (Edelstahl, GFK oder ein anderer Werkstoff) und der hierdurch möglichen Kostenersparnis behandelt Herr Ruppert ebenfalls nicht sachgerecht: Warum Edelstahl „zweifelsfrei“ ökologisch sinnvoller als GFK, o.a. sein soll, ist nicht dargelegt. Es gibt keinerlei Angaben zur Lebensdauer der Materialien und z.B. auch dazu, welcher Energieaufwand zur Herstellung von Edelstahl einerseits und GFK oder ein anderer Werkstoff andererseits erforderlich ist. Das wäre für Aussagen zur ökologischen Verträglichkeit aber erforderlich.

      Daher zusammenfassend: Nach dem Video weiß man mitnichten „was gefragt wurde“!

  3. Am stärksten aber enttäuscht uns die gewählte Verfahrensweise. Nach der Kooperationsvereinbarung wollten Stadt und Förderverein vertrauensvoll zusammenarbeiten. Das wird mit dem gewählten Verfahren, per Video eine bereits getroffene Magistratsentscheidung mitzuteilen, konterkariert.

    Der Förderverein arbeitet seit langem in dem eigens für die Schwimmbadsanierung gegründeten Arbeitskreis mit. In den letzten Sitzungen des Arbeitskreises vor der Kommunalwahl war besprochen worden, dass dieser sich das Schwimmbad in Ober-Ramstadt gemeinsam ansieht und mit den dort Verantwortlichen spricht, um von den praktischen Erfahrungen der ersten dortigen Saison profitieren zu können und einen direkten Eindruck zu haben. Dies wurde von der Stadt auch zugesagt. Nach dem Vorschlag des Fördervereins im Rahmen seiner Stellungnahme zum ersten Planungsentwurf wäre es nahe liegend gewesen, einen weiteren Besuch des Arbeitskreises in Babenhausen ins Auge zu fassen. Es geht immerhin um eine der größten Investitionen der Stadt, die sorgfältig vorbereitet werden sollte.

    Der Förderverein wartete deshalb auf eine Einladung zur ersten Sitzung des Arbeitskreises in der neuen Amtsperiode nach der Kommunalwahl, in der die eingegangenen Stellungnahmen der Bürger hätten diskutiert werden können, und auf die Einladung zu Ortsbesichtigungen. Stattdessen kam – ohne jede Ankündigung gegenüber den Bürgern, dem Arbeitskreis oder dem Förderverein – das Video des Bürgermeisters mit der Aussage, der Magistrat habe bereits entschieden und halte an seiner „klaren Haltung“ fest.

    Dieses Verhalten ist nicht wertschätzend gegenüber engagierten Umstädter Bürgern.
    Eine echte Bürgerbeteiligung sieht -auch in Corona Zeiten- anders aus. Die Entscheidung ohne eine Diskussion in der Öffentlichkeit (z.B. durch eine Zusammenstellung der Argumente im „Odenwälder Boten“ oder auf der Homepage der Stadt) und im Arbeitskreis erscheint unangemessen und tritt die umfangreiche ehrenamtliche Arbeit des Fördervereins mit Füßen. Eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ sieht anders aus.

    Wir wissen, dass die zugesagten Zuschüsse von entscheidender Bedeutung für die Durchführung der Schwimmbadsanierung sind. Deshalb schlagen wir vor, die Stadt bespricht sich mit dem Förderungsgeber und klärt ab, dass wegen der erwünschten Bürgerbeteiligung, die zu Coronazeiten langwieriger ist, und wegen noch zu diskutierender Vorschläge etwas mehr Zeit für die Planung benötigt wird. Unseres Erachtens ist es schlecht vorstellbar, dass der Förderungsgeber hierauf nicht eingeht, wenn es sich um eine im Vergleich zur ganzen Baumaßnahme relativ kurze Frist handelt. Nach entsprechender Vereinbarung kann die Stadt dann die Bürgerbeteiligung nach der Verfügungstellung detaillierter Informationen, wie oben aufgeführt, neu ermöglichen.

    Martin Herold, Dr. Ursula Schmidt-Speicher, Cornelia Derer, Dirk Bartetzko, Birgit Krall (Beisitzer)
    Der Vorstand des Förderverein Schwimmbad Groß-Umstadt e.V.